DIE KULTURTECHNIKER
www.bpb. (Bundeszentrale für politische Bildung) // 06.07.2004
Schreiben und Leben
17. Station: Saalfeld, 29. Juni 2004

Lesekonzert der "Kulturtechniker" am Heinrich Böll-Gymnasium

Am 11. April 1945 wird das Konzentrationslager Buchenwald befreit, als die ersten US-amerikanischen Streitkräfte eintreffen. Der KZ-Häftling 44904, Block 40, gehört zu den Überlebenden: Jorge Semprun, damals 21 Jahre, Widerstandskämpfer. Seine Erinnerungen hält der spanische Schriftsteller später in "Schreiben oder Leben" fest. Textpassagen daraus bilden den Stoff für "Vor den Toren Weimars", ein elektronisches Lesekonzert der Kulturtechniker. Für die Schülerinnen und Schüler des Heinrich Böll-Gymnasiums eher ungewohnte Musik.

Zunächst schrill und überdreht klingen Violoncello (Ralf Werner) und Akkordeon (Christina Taczyck), Martin Hahnemann liest die Textfragmente. Kurz nach der KZ-Befreiung brechen die inhaftierten Widerstandskämpfer nach Weimar auf, diese "Soldaten in Lumpen". Welch ein verrückter Traum. Weimar, die Goethe-Stadt, diese Stadt, die nichts von Buchenwald gewusst haben will. US-amerikanische Truppen bringen Jugendliche, Frauen und Alte aus Weimar ins KZ: Sie sollen sehen, sie sollen hinschauen. Semprun und andere suchen derweil nach Überlebenden, es ist eine Suche nach "Hohlräumen zwischen den Leichen". Für viele Gefangene ist es zu spät, sie sterben noch in den Tagen nach der Befreiung. "Der Tod steht noch im Präsens."

Die Texte des Live-Hörspiels tragen die Zuhörerschaft raus aus dem KZ. Semprun unternimmt seine ersten Ausflüge. Er liegt auf der Wiese und isst Grashalme. Er fährt nach Weimar, um zu feiern und die erste Nacht durchzutanzen. Er hört Musik. Die Stimmung findet sich wieder, Violoncello und Akkordeon werden eins. Tanzende Klänge. Aber doch bleibt es die Zeit danach, nach dem Rauch des Krematoriums, nach der Erschöpfung des Lebens. "Ich war dem Tod nicht entkommen, ich hatte ihn durchlaufen", so Semprun.
Text und Foto: Sonja Ernst


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