DIE KULTURTECHNIKER
Leipziger Volkszeitung // 25.09.2003
Zwischen den Loops schweigen die Texte
?Mommsens Block" als Multimedia-Stück in der naTo

Geschichte und das Vergehen von Zeit, darum drehte es sich. Nach Heiner Müller vollzieht sich Geschichte in Kreisbewegungen. Die ?Kulturtechniker" aus Köln loopten seinen lyrischen Monolog ?Mommsens Block" in der naTo.
Der Text gehört nicht zu den dramatischen Texten des Autors, unterscheidet sich in seiner Form aber kaum davon. Die Umsetzung der ?Kulturtechniker" bewegt sich zwischen Konzert und Theater, Hörspiel und Lesung und setzt sich aus Schauspiel, Text, Videoinstallation und elekronischer Musik zusammen. Auf der Bühne finden die Musiker und Schauspieler um Martin M. Hahnemann, der dem Text einen Körper gibt, Platz. Überraschenderweise nimmt er keine Distanz zu Müllers Sprache ein, sondern identifiziert sich eins zu eins mit den Figuren und Motiven. Monologabschnitte wechseln mit elektronischer Musik und dem schrillen Gesang von Elke Bartholomäus.
Die einzelnen Elemente verstärken sich gegenseitig - entgegen Müllers Theaterästhetik. Im Zentrum steht der Text, der die Situation des Autors im wiedervereinigten Deutschland reflektiert. Ausgehend von der Tatsache, dass der Geschichtsschreiber Mommsen den vierten Band seiner römischen Geschichte nicht mehr geschrieben hat, begründet er sein eigenes Schweigen als Dramatiker nach 1989. Drei Zeitebenen verschwimmen ineinander. Die des Autors, die des Geschichtsschreibers, der angewidert ist von der öden Leere der römischen Kaiserzeit nach dem Tod von Julius Cäsar (der dritten Ebene) und deshalb das Buch nicht geschrieben hat.
Auf einer Leinwand reihen sich Porträts von historischen Figuren aneinander - grell coloriert, doch ohne sinnfällige Chronologie. Mommsen, der deutsche Kaiser, Julius Cäsar, Marx, Kafka, später Gandhi und natürlich Müller selber. Das drehende Bild vom Reichstag schließt den Kreis. Mit ihrer experimentellen Herangehensweise schaffen die ?Kulturtechniker" einen reizvollen, wenn auch eindeutigen Zugang zu diesem Text.

Christina Dirlich
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