DIE KULTURTECHNIKER
Kölner Stadt-Anzeiger // 27.06.2003
Ein Künstler verstummt
Die ?Kultutechniker" bringen im Casamax--Theater ?Mommsens Block" zum Klingen.

VON ARNDT KREMER

Er war ein geistiger Gigant seiner Zeit: Theodor Mommsen (1817-1903), Vater der Altgeschichte, Literaturnobelpreisträger, bildungs-bürgerlicher ?Bücherfresser" und nationalliberaler Gegner Bismarcks. Doch gibt es auch im wissenschaftlichen Denkmal Mommsens, dessen hundertstes Todesjahr am ersten November ansteht, eine Fehlstelle: Seiner monumentalen ?Römischen Geschichte" mangelt es am vierten Band über die Kaiserzeit. Der 1995 verstorbene Dramatiker Heiner Müller setzte zwei Jahre vor seinem Tod in dem Monolog ?Mommsens Block" diese rätselhafte Lücke in Mommsens Hauptwerk in Relation zu seinem eigenen Verstummen als Künstler, zur wachsenden Leere auf dem Block des Schreibenden.
Mit den Wort-Kolossen Müller & Mommsen haben sich die ?Kulturtechniker? wahrlich keine Leichtgewichte auf die Bühne des Casamax--Theaters geholt. Die für ihre musikalisch-literarischen Performances bekannte Gruppe nimmt wie auf einem Seziertisch einzelne Sätze in Müllers Monolog auseinander und untersucht sie auf ihren Stimmungs-Grund hin. Elke Bartholomäus greift das, was Martin M. Hahnemann als Mommsen spricht und schreibt, gesanglich auf und verfremdet es in dadaistisch-experimenteller Manier. Bartholomäus, Raul Sengupta (Tabla und Percussion) sowie Ralf Werner (Violoncello, Sampler und Live Elektronik) formen zu den Videoprojektionen Dirk Groenewolds brillante Klangbilder. Die Gründe des Wissenschaftlers und des Dramatikers vor der Verweigerung weiterer (literarischer) Chronik werden so regelrecht spürbar.
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